LESERRESONANZ
Der Titel der „Gegendarstellung“ trifft eine nicht verantwortbare Aussage. Für ein Gesundheitsrisiko durch Infraschall aus Windanlagen sprechen nicht nur die in unserem Artikel ausgewählten Hinweise aus der experimentellen Medizin, sondern vor allem Befunde an Anwohnern, die nicht mit dem Nocebo-Effekt erklärbar sind.
Infraschall unterliegt wie jeder andere Frequenzbereich des Schalls den einschlägigen Gesetzen der Physik. Wir beabsichtigen nicht, ihm „gefährliche“ Eigenschaften beziehungsweise Unklarheiten anzudichten. (...)
Unklarheiten existieren jedoch bezüglich der biologischen Wirkungen von Infraschall auf Säugetier und Mensch. Dazu haben wir konkrete Hinweise aus publizierten Daten gesichtet und nach eingehender Prüfung zusammengetragen. Darunter ist auch ein experimenteller Beitrag aus dem Labor des Autors C. Vahl, der jedoch nicht bestimmend für die Gesamtaussage ist. Wir kommen zum Fazit, dass Infraschall auf mehreren Ebenen des Säugetierorganismus Stressantworten auslöst. Es existieren sowohl wissenschaftlich belegte als auch plausible Angriffspunkte. Wir weisen mehrfach darauf hin, dass einige Kausalketten zwar naheliegend, jedoch nicht bewiesen sind und beschreiben daraus hervorgehende Aufgaben für künftige Forschung. Die jetzt vorliegenden Daten begründen aus unserer Sicht ein erhebliches Gesundheitsrisiko, das im Sinne der präventiven Medizin gesundheitspolitisches Handeln erfordert. Im Folgenden nehmen wir zu den Ausführungen von Holzheu, Koch und Hundhausen (kurz als „Kritiker“ bezeichnet) Stellung, soweit diese sachlich begründet werden. Literaturzitate beziehen sich auf unsere Übersichtsarbeit (Roos und Vahl, ASU 2021; 56, 420–430), hier „Artikel“ genannt.
Zur „Diskussion der physikalischen Fakten“ durch die Kritiker
Die im Artikel präsentierten Infraschallspektren von Windanlagen (Abb. 1) stammen von der auf diesem Gebiet tätigen USA-Firma Noise Control Engineering, NCE (Bahtiarian u. Beaudry 2015). Die im Gebäude gemessenen Gesamtschalldrucke (rote Kurve) sind in der Tat niedriger als die im Außenbereich festgestellten (grüne Kurve). Die Autoren erklären diese Differenz nicht explizit, vermutlich geschahen Indoor- und Outdoor-Messung bei verschiedenen Windstärken, aber konstanter Drehzahl der Anlage, wie ein genauer Vergleich des Druckverlaufs nahelegt. Wesentlich ist, dass die gemessenen Peaks, sowohl bei der Grundfrequenz als auch bei den Frequenzen der Oberschwingungen, im Gebäude sehr ähnliche Amplituden besitzen wie im Außenbereich: Die Druckdifferenz zwischen dem Messwert vor dem Peak und der Peakspitze beträgt z.B. 16 dB bei der Harmonischen „3 x BPF“, sowohl outdoor als auch in-house. Die Peaks werden also durch das Gebäude kaum gedämmt, wie für Infraschallemissionen seit langem bekannt (z. B. Artikel, RKI 2007). Selbstverständlich ist der Wind selbst eine erhebliche Quelle von Infraschall, jedoch in Form von unstrukturiertem Rauschen. Dieses Hintergrundrauschen ist bei einer ruhenden Anlage gut messbar (Artikel, Abb. 1, schwarze Kurve) und kann erhebliche Schalldrucke generieren, wie z. B. im Bereich um 1 Hz zu erkennen. Von diesen Schalldrucken gehen nach Aussage der Anwohner keine gesund- heitlichen Beeinträchtigung aus, wohl aber von der rotierenden Anlage (rote Kurve): Diese emittiert im gleichen Druckbereich, aber pulshaltigen Infraschall. Das pathologische Potenzial liegt also sehr wahrscheinlich bei den Druckpeaks, nicht in den Absolutwerten des Schalldrucks.
Zu den experimentellen Daten der Kritiker
Es werden ein Frequenzsspektrum und ein Zeitverlauf gezeigt (Kritiker, Abb. 1), die im Außen- und Nahbereich deutliche Infraschallpulse aufweisen, im Innenbereich wesentlich weniger. Damit soll die Behauptung gestützt werden „Infraschall geht nicht durch Wände“. Dies ist nicht überzeugend:
1. Die Abbildung steht im klaren, von den Kritikern nicht kommentierten Widerspruch zu den Daten der Firma NCE (Bahtiarian u. Beaudry 2015), von denen wir in unserer Arbeit ein Beispiel zeigen (s.o.). Weitere Daten sind bei diesen und anderen, im Artikel zitierten Autoren einsehbar. Diese Messungen belegen beispielsweise, dass der Hintergrundschall mit steigender Windstärke ansteigt, die aufgesetzten Peaks aus der rotierenden Anlage jedoch gut sichtbar bleiben (was an Anlagen mit konstanter Drehzahl leicht nachweisbar ist). Die von den Kritikern beobachtete schwindende Nachweisbarkeit der Peaks mit steigendem Hintergrundschall ist also nicht verallgemeinerungsfähig und hängt u. a. vom Schalldruck des Hintergrundschalls ab.
2. Generell gehen die Kritiker offenbar davon aus, dass die Perzeption der Infraschallpulse im Menschen mit gleicher Empfindlichkeit, Frequenzauflösung und Bandbreite erfolgt wie durch das von ihnen verwendete Messgerät (das nicht näher spezifiziert wird). Dies kann keinesfalls vorausgesetzt werden: Die Sensoren des menschlichen Gleichgewichtssystems können Infraschallvibrationen registrieren, deren Intensität weniger als 1/1000 der vor Ort wirksamen Schwerkraft beträgt (Artikel, Todd et al. 2008). Ähnliches gilt für die Wahrnehmung von Hörschall: Ein Gespräch in Zimmerlautstärke (z. B. 60 dB oder 20 mPa) wird exakt registriert, obwohl dessen Amplituden etwa 5 Millionen Mal geringer sind als der wirksame Luftdruck auf Meereshöhe (etwa 101.325 Pa). Für luftgeleiteten Infraschall gibt es Hinweise auf ähnliche Verhältnisse, etwa bei der Wirkung von Infraschall auf die äußeren Haarzellen (Artikel, Hensel et al. 2007). Hier eröffnet sich ein wesentliches Forschungsfeld. Aus heutiger Sicht erscheint die Vermutung gerechtfertigt, dass die Infraschallrezeptoren mit hoher Anpassungsfähigkeit arbeiten und geringste periodische Änderungen auch bei den hohen Absolutwerten des Luftdrucks beziehungsweise der Schwerkraft registrieren.
Wir stimmen mit den Kritikern darin überein, dass die Diskussion über den Infraschall aus Windanlagen nicht an „Frequenzspitzen“ festgemacht werden darf, sondern von der Druck-Zeit-Kurve ausgehen sollte. Die (artifizielle) Frequenzanalyse des Infraschalls kann aber helfen, potenzielle Rezeptoren oder resonanzgefährdete Organe aufzufinden und die Zuordnung von Schallereignissen zu konkreten Windanlagen erleichtern, etwa mit Hilfe der Obertöne. Angesichts der sehr hohen und variablen Empfindlichkeit der menschlichen Wahrmehmung ist der von den Kritikern gezeigte quantitative Vergleich der Druckpulse von Windanlagen mit denen im fahrendem Auto, am Trampolin usw. (Abb. 3) wenig beeindruckend. Auch wenn die Druckpulse der Windanlagen in der Darstellung vergleichsweise gering erscheinen und bei der Messung im erhöhten Hintergrundschall „ertrinken“ (Kritiker, Abb. 2, 800 m), bleiben sie sehr wahrscheinlich für unser Vestibularsystem und andere Rezeptoren feststellbar.
Insgesamt rechtfertigen die von den Kritikern gezeigten Abbildungen jedoch keinesfalls nicht die pauschale Behauptung, die
„Druckpulse“ aus WEA seien „völlig harmlos“. Nach unserer Recherche zur vorliegenden Publikation spricht die aktuelle Datenlage dafür, dass die Druckpeaks eine Stressorwirkung erlangen
1. bei einer periodischen Abfolge regelmäßiger Peaks im Bereich von etwa 1–8 Hz,
2. bei chronischer Einwirkung über mehreren Stunden, besonders im Schlaf.
Benutzung des Begriffs der „Wahrnehmungsschwelle“
Leider nutzen die Kritiker noch immer den Druckunterschied zur „Wahrnehmungsschwelle“ bei der Beurteilung von Infraschallwirkungen, obwohl wir auf diese überholte Fehlinterpretation mehrfach hinweisen (im Artikel z.B. S. 428 unten). Die genannte Schwelle ist am Hören orientiert und bezeichnet einen Schalldruck, den 90 % der Testpersonen nicht mehr hören. Für die Perzeption von Infraschall ist sie nicht relevant, da diese durch andere Mechanismen als beim Hören erfolgt, wie in unserem Artikel erklärt. Die klare Trennung von der Perzeption von Hörschall ist essenziell für das Verständnis der biophysikalischen Wirkungen von Infraschall. Es ist bedauerlich, wenn die Kritiker versuchen, eine unzutreffende Begrifflichkeit zu perpetuieren.
Zu den Infraschalldaten der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR)
Unsere Arbeit spricht hier von „erheblichen (nicht: dramatischen) Intensitäten, die noch in mehreren km Entfernung“ messbar sind.
Dies hat sich auch nach der Korrektur der Messwerte der BGR nicht geändert, wie im Korrigendum der BGR vom 27.04.2021 dokumentiert. Die Korrektur bezieht sich nach Angaben der BGR auf einen systematischen Fehler bei der Messung. Sie verändert weder die von WEA real emittierten Schalldrucke noch ihre biologischen Wirkungen – so wie ein Thermometer mit „falscher“ Skala nicht die anliegende Temperatur ändert.
Die Reichweite der Infraschallemissionen von Windanlagen bzw. Windparks wird auch nach der Korrektur mit > 10 km angegeben, und entspricht ähnlichen Angaben, z. B. von Palmer (Artikel, Palmer et al.2017). Letztere Autoren zeigen Daten sowohl im Hör- als auch im Infraschall, werden also zu Recht zitiert. Sachlich betrachtet entspricht der von der BGR eingeräumte Fehler von 36 dB nicht einem Faktor 4000 im Schalldruck, wie von den Kritikern behauptet, sondern dem Faktor 63.
Zur „Zusammenfassung der physikalischen Fakten“ der Kritiker
Die Druckpulse aus Windanlagen sollten nicht als „klein“ bagatellisiert und pauschaliert werden. Einerseits hängt ihre reale Amplitude von der Anlagengröße, Windstärke und Geländestruktur etc. ab, andererseits sind diese Pulse aus heutiger Sicht entscheidend für die Wirkung auf den Menschen.
Die Aussage, die Druckpulse der WEA seien „innerhalb einer geschlossenen Gebäudehülle nicht detektierbar“, ist nicht haltbar. Sie widerspricht publizierten Daten anderer Arbeitsgruppen, unter anderem von Bahtiarian u. Beaudry 2015 (Artikel, Abb. 1, s.o.) sowie der bekanntermaßen sehr geringen Dämmbarkeit aller Infraschallemissionen (Artikel, RKI 2007).
Die Behauptung der Kritiker, schon die Betrachtung der physikalischen Grundlagen lasse eine Belästigung oder Schädigung von Menschen ausgeschlossen erscheinen, ist deshalb fehl am Platze.
Zur Diskussion gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch hohe Schalldrucke
Im Kapitel „Zur Generalisierbarkeit von Daten aus Tierexperimenten“ stellen wir fest, dass in älteren, von uns zitierten Arbeiten oft sehr hohe Schalldrucke verwendet wurden, die zum Beispiel weit über denen heutiger WEA liegen. Die Ergebnisse können dennoch Hinweise auf mögliche Angriffspunkte (Schwachstellen) für Infraschall in biologischen Systemen liefern, die dann gegebenenfalls durch detaillierte Forschung aufzuklären sind. Auch hier sind Übertreibungen nicht hilfreich: Der Unterschied in der Schallleistung zwischen 60 dB (etwa einer heutigen Windanlage) und den o.g. Arbeiten (z.B. an der menschlichen Schmerzschwelle von 120 dB) ergibt den Faktor 1000, nicht 100.000, wie die Kritiker behaupten.
Die kritisierte Arbeit von Wysocki aus 1980 (!) dient uns als Beleg für einen frühen Verdacht auf die Wirkung von Infraschall auf hämodynamische Prozesse, die Herzphysiologie und weitere physiologische Parameter. Wir bezeichnen im Text die Schlüsse der damaligen Autoren als Vermutungen und weisen darauf hin, dass der zentrale Befund zur Kraftreduktion des Herzmuskels 2016 durch andere Forscher bestätigt wurde.
Zur Einschätzung der Arbeit von Chaban et al. 2017
Die Experimente am isolierten Myokard (Chaban et al. 2017) wur- den in der Zeitschrift Noise and Health publiziert und zuvor im Peer-review-Verfahren positiv beurteilt. Sie beschreiben erstmals die hemmende Wirkung von Infraschall auf isolierte, kontraktionsfähige Zellen aus dem Herzmuskel des Menschen und stehen im Einklang mit Befunden anderer Autoren am isoliert schlagenden Säugetierherzen. Die beteiligten Zellstrukturen und molekularen Mechanismen sind unbekannt und erfordern weitere Forschung. Als potenzielle Targets erscheinen uns heute mechanosensitive Ionenkanäle, die inzwischen auch am Herzmuskel nachgewiesen wurden und deren Erstbeschreiber aktuell mit dem Nobelpreis geehrt wurden. Die Mitwirkung von Vibrationen (Körperschall) erscheint uns denkbar – dies ändert aber weder den Befund noch das zu untersuchende Problem.
Die Tatsache, dass der gemessene Effekt auf die Muskelkontrak- tion bei weit geringerem Schalldruck (z.B. 100 dB) zustande kommt als dem maximalen Betriebsdruck der Herzkammer (Druckamplituden von bis zu 178 dB), zeigt erneut, dass der Schalldruck allein nicht zur Beurteilung von Infraschallwirkungen am Menschen ausreicht, sondern qualitative Parameter, etwa der detaillierte Druckverlauf, hinzukommen müssen. Der kritisierte Abstand zwischen den Amplituden beider Schalldrucke macht das Ergebnis also nicht weniger wertvoll.
Zu „Psychische Effekte“ (gemeint sind vermutlich Untersuchungen am Gehirn)
Die Ergebnisse der fMRI-Untersuchungen von Weichenberger et al. werden von den Kritikern leider ohne Verständnis für ihre wissenschaftliche Bedeutung zitiert. Es geht um die Erhöhung der Konnektivität, das heißt der neuronalen Aktivität, in definierten Gehirnbereichen nach Exposition von Testpersonen gegenüber einem artifiziellen Infraschall von 12 Hz Sinus. Dessen Schalldruck wurde individuell so gewählt, dass eine bewusste Hörempfindung ausgeschlossen war. Damit entsteht ein starker Hinweis auf die Verarbeitung von Infraschallsignalen im Unterbewusstsein. Der Hinweis der Kritiker auf die Wahrnehmungsschwelle geht auch hier ins Leere, da diese am Hören orientiert ist (s.o.). Bei der Interpretation weisen wir im Artikel ausdrücklich darauf hin, dass die fMRI-Untersuchung bei einer Frequenz oberhalb der typischen Druckpulse von Windan- lagen stattfand und deshalb keine unmittelbare Beziehung zu den Beschwerden von WEA-Anwohnenden hergestellt werden kann. Dennoch ergeben sich indirekte Ansatzpunkte, da in den betroffenen Gehirnarealen Körperfunktionen kontrolliert werden, die bei erkrankten Anwohnern von Windanlagen als gestört diagnostiziert wurden, wie Atemfrequenz und Blutdruck.
Zur Nocebo-These
Die Deutung der Kritiker, „in der Wissenschaft gilt die Nocebo- These als wahrscheinlichste Erklärung für die von Anwohnern [von Windanlagen] geäußerten Beschwerden“, ist haltlos und bezieht sich allenfalls auf die von ihnen wahrgenommene epidemiologische Literatur. Im Artikel werden mehrere Schädigungen durch Infraschall konkretisiert oder als plausibel erkannt, die nicht auf eine
vorherige oder durch „Windkraftgegner“ provozierte Voreingenommenheit zurückgeführt werden können (von Störungen im Vestibularsystem bis zur Atmungsdepression und Kinetoseähnlichen Beschwerden der Anwohner). Gleichwohl erklären wir im Artikel, dass wir psychogen ausgelöste Belästigungen oder Modifikationen körperlicher Schäden im Umkreis von Windanlagen für möglich erachten. Körperlich ausgelöste Schäden sollten wo möglich von psychogen ausgelösten Effekten abgegrenzt werden, etwa durch Erstellung der von uns geforderten Dosis-Wirkungs-Kurven.
Die Stressreaktionen von Wildtieren (Artikel, Agnew et al.2016; Lopucki et al.2018) in der Nähe von Windanlagen zitieren wir nicht mit Bezug zu Infraschall-spezifischen Schäden, sondern weil bei Wildtieren Voreingenommenheit (Nocebo) ausgeschlossen ist. Die Fluchtreflexe können durch Infraschall, hörbaren Schall, seismische Vibrationen u. Ä. ausgelöst sein.
Zur finnischen Studie (Maijala et al. 2020)
Im Artikel weisen wir darauf hin, dass keine der in den letzten Jah- ren publizierten, staatlich veranlassten Studien die Wirkung der Infraschallpeaks aus Windanlagen auf Anwohner konkret getestet hat. In der von den Kritikern hervorgehobenen finnischen Studie wurde eine Korrelation zwischen den geäußerten Beschwerden von Anwohnern und Infraschallhaltigen Emissionen an deren Wohn- ort gesucht. Außerdem wurden sie im Blindversuch mit Infraschall- haltigen Tonkonserven konfrontiert, die in der Nähe von Windanlagen aufgenommen wurden. Leider wurden alle Emissionen der Windanlagen nicht als hochaufgelöste Spektren, sondern in Form von Terzspektren charakterisiert. Bei dieser Darstellung gehen die Druckpeaks verloren, wie z. B. auch die Kritiker in ihrer Abb. 2 (z. B. in 800 m Abstand) zeigen. Die Studie konnte daher nicht belegen, dass die Infraschall-haltigen Proben die Druckpeaks der Anlagen tatsächlich enthielten und diese korrekt durch die verwendeten Lautsprecher an die Probanden abgestrahlt wurden (aus schalltech- nischen Gründen nicht selbstverständlich). Ebensowenig konnten die (womöglich vorhandenen) Druckpeaks der untersuchten Anlagen in die Korrelationsanalyse einfließen. Die Studie fand keine Korrelation zwischen Infraschallhaltigen Emissionen der Windanlagen und den berichteten Beschwerden der Anwohner. Zum Gesundheitsrisiko der Infraschall-Peaks liefert sie aus den genannten Gründen keinen Beitrag.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass die rein quantitative Betrachtungsweise der Kritiker mit Fokus auf dem messbaren Schalldruck nicht geeignet ist, das Gesundheitsrisiko des von Wind- anlagen emittierten Infraschalls einzuschätzen. Sie ignoriert die hochempfindliche und -selektive Wahrnehmung durch menschliche Rezeptorsysteme und führt zu ungerechtfertigten Vergleichen mit der Wahrnehmung von Hörschall. Die Lösung kann nicht darin bestehen, die Beschwerden von Anwohnern dem Nocebo-Effekt zuzuschreiben, sondern in vorurteilsfreier Wertung der aktuellen und der Erhebung weiterer Daten sowie in problemorientierter Forschung auf klinischer und experimenteller Ebene.
Werner Roos und Christian Vahl
Es ist erfreulich, wenn unsere Übersichtsarbeit eine kritische Resonanz auslöst, die zur Entdeckung möglicher Fehler und zur besseren Kenntnis des dargestellten Problems führen kann. Bei der Lektüre des Beitrags von Bauer und Schertz (B/S) entsteht jedoch bald der Eindruck, es gehe den Autoren mehr um eine Diskreditierung des genannten Artikels als um Erkenntnisgewinn, obwohl sie zuletzt eine rationale Sicht auf das Thema fordern. Noch vor einer inhaltlichen Diskussion wird dem Artikel eine „unplausible Hypothese“ unterstellt. Zur Begründung dient eine simplifizierte Betrachtungsweise, die eine Gesundheitsgefahr allein aus dem Vergleich der Spitzenwerte des Infraschalldrucks ableitet (s.u.). Sie wurde von uns bereits als unzureichend charakterisiert (Antwort auf Holzheu et al. ASU 11: 2021). Im Einzelnen nehmen wir wie folgt Stellung (soweit nicht anders angegeben, beziehen sich Referenzen auf unseren Artikel, Roos u. Vahl, ASU 2021; 56(7). (...)
1. Zu den physikalischen Charakteristika des Infraschalls aus Windanlagen
Es erscheint wenig sinnvoll, Haushaltsgeräte und Kraftfahrzeuge als Emittenten von technischem Infraschall mit Windanlagen zu vergleichen, vor allem wegen der ungleich größeren Dimensionen, Reichweiten ihrer Emissionen und der flächenhaften Exposition von Mensch und Tier.
Die am weitesten verbreitete Darstellung des Infraschalls aus Windanlagen sind Frequenzspektren. Darüber darf nicht vergessen werden, dass die zugrunde liegenden Zeit-Druck-Kurven die unmittelbar wahrnehmbare Emission abbilden.
Das kritisierte Frequenzspektrum (Abb. 1, zitiert aus Bahtiarian u. Beaudry 2015) basiert auf Schalldruckpegeln. Die Markierung der y-Achse in dieser Abbildung ist (möglicherweise zu stark) vereinfacht, bleibt aber eindeutig, da „dB“ als Maßeinheit des Schalldruckpegels bekannt ist – im Gegensatz zu Pa für den Schalldruck. (Die Originalabbildung ist jederzeit zugänglich.)
Der zentrale Dissens zwischen unserer Auffassung und den Einwendungen von Bauer/Schertz besteht in der Interpretation der Druckpeaks, die im Infraschallbereich emittiert werden. Es besteht zunächst Übereinstimmung, dass diese Peaks nicht einfache Druckunterschiede widerspiegeln, sondern das Maß der Verstärkung des momentanen Luftdrucks. Wir räumen ein, den ungenauen Begriff „Druckunterschied“ in unserer Antwort auf Holzheu et al. 2021 einmal übersehen zu haben, weisen aber darauf hin, dass an dieser Stelle die Differenz der Messwerte korrekt in dB (und damit als eine Pegeldifferenz) benannt wird. Eine Differenz von 20 dB entspricht bekanntlich einer Verzehnfachung des Schalldrucks, die von uns als Beispiel erwähnten 16 dB (gemessen an der Harmonischen 3x BPF) also einer Erhöhung um den Faktor 6,3. Etwa um diesen Faktor steigt also der Schalldruck bei Ankunft eines Druckpeaks, unabhängig von seinem jeweiligen Anfangswert, der meist nahe am Hintergrundschall liegt. Der Versuch von Bauer/Schertz, die Ergebnisse von Bahtiarian u. Beaudry (2015) in Pascal, also delogarithmiert, darzustellen, bestätigt nur, dass die maximal messbaren Werte des Schalldrucks nicht das entscheidende Kriterium für die Quantifizierung von Infraschallwirkungen aus WEA sein können: Bei dieser Darstellung erscheinen die Druckunterschiede im Haus (rot) verschwindend gering, obwohl die Anwohner dort über erhebliche Schlafstörungen und Unwohlsein berichteten. Wesentlich ist auch, dass die Druckpeaks bei stehender Anlage völlig verschwinden (s. unten).
Wir unterschätzen nicht die Tatsache, dass die Frequenzspektren der genannten Abb. 1, soweit sie im Haus gemessen wurden, durchweg niedrigere Schalldruckpegel zeigen als im Freien. Wir stellen fest, dass die Autoren dafür keine schlüssige Erklärung anbieten und folgen ihrer Vermutung, dass die Unterschiede durch den anliegenden Wind (Hintergrundschall) bedingt sind. Dies legen auch andere Frequenzspektren aus derselben Publikation nahe. Wir folgen nicht der schon von Holzheu et al. geäußerten Auffassung (Holzheu et al., ASU 2021; 56(11)), die Differenz der Frequenzkurven zeige die Dämmung durch das Gebäude, da die geringe Dämmbarkeit für diesen Infraschallbereich gut bekannt ist (u.a. RKI 2007). Für die Bewertung der gesundheitlichen Wirkung kommt es aber nicht auf diesen Unterschied an, sondern auf folgende Ergebnisse:
a) Die Höhe der Druckpeaks (in dB) über dem jeweiligen Hintergrundschall ist etwa gleich im Haus und im Freien. Damit entsteht bei jedem Flügeldurchgang am Mast etwa dieselbe Verstärkung (Vervielfachung) des momentanen Luftdrucks.
b) Bei abgeschalteter Anlage verschwinden die Peaks vollständig, was ihre Auslösung durch die rotierenden Flügel unterstreicht. Nicht durch Bahtiarian u. Beaudry (2015), aber in zahlreichen anderen Studien wird übereinstimmend berichtet, dass der Hintergrundinfraschall (messbar als statistisches Rauschen des Windes an stehender Anlage) keine der bekannten gesundheitlichen Beschwerden auslöst. Auch experimentelle Daten weisen darauf hin, dass zum Beispiel sinusförmiger Infraschall (ohne Druckpeaks) bei Schalldruckpegeln unter 90 dB keine pathologischen Veränderungen an Myokardzellen bewirkt (Vahl et al., unveröffentlicht). Die Peaks, das heißt die periodische Verstärkung des anliegenden Schalls, sind also sehr wahrscheinlich die Hauptquelle des Gesundheitsrisikos, auch wenn sie von verschiedenen Hintergrundniveaus ausgehen.
2. Zu den Wirkungen des Infraschalls aus WEA auf den Menschen
Da wir ständigen Änderungen des Luftdrucks und der Schwerkraft ausgesetzt sind, erscheint es naheliegend, diese mit der Infraschallemission von WEA zu vergleichen. Dies tun auch die Kritiker, leider aufgrund einer vordergründig quantitativen Denkweise. Diese führt zur Feststellung, „dass periodische Druckschwankungen dieser Größenordnung für den menschlichen Körper unproblematisch sind“. Damit werden bekannte Charakteristika der menschlichen Schallwahrnehmung ignoriert:
a) In unserem Artikel weisen wir daraufhin, dass die im Vestibularsystem registrierten Druckänderungen bei einer Bewegung nicht isoliert wahrgenommen, sondern mit den Informationen anderer Rezeptoren des Körpers (z. B. Propriorezeptoren in Muskeln und Gelenken) und mit der visuellen Wahrnehmung abgeglichen werden. Erst dadurch entsteht im Gehirn der Gesamteindruck der Bewegung. Diese Begleitinformationen fehlen bei den durch WEA emittierten steilen Druckpulsen. Damit ist der Ausgangspunkt für einen Wahrnehmungskonflikt gegeben.
b) Das Vestibularsystem ist zur Feststellung deutlich geringerer Änderungen in der Lage, als sie bei normaler körperlicher Bewegung eines Menschen auftreten. Todd et al. haben schon 2008 gezeigt, dass Unterschiede von weniger als 1/1000 g (Erdbeschleunigung) noch registriert werden. Das Vestibularsystem ist damit empfindlicher für Druckänderungen als die Cochlea für tieffrequenten Hörschall.
Leider versteigen sich B/S auch zu nicht sinnvollen Vergleichen mit der Emission von Windanlagen. Eine vertikale Bewegung von 2 cm (Schritthub) verursacht tatsächlich für eine Körperstelle eine Änderung des Luftdrucks um etwa 250 mPa (82 dB) und entspricht damit formal dem 25fachen maximalen Schalldruck, wie er in der Abb. 1 (Bahtiarian u. Beaudry 2015) bei 2 Hz im Freien gemessen wurde. Gesundheitliche Beschwerden wurden aber nachweislich bei mehr als hundertfach geringeren Druckpegeln verursacht, also bei etwa 36 dB (1,2 mPa). Infolge der Rotation der WEA ändert sich dieser Pegel um ca. 16 dB (0,12 mPa) etwa alle 1,3 Sekunden. Hinzu kommen die häufigeren Schwingungen der zugleich emittierten Obertöne, die bei der oben genannten Empfindlichkeit des Vestibularsystems sehr wahrscheinlich auch erfasst werden. Außerdem ist noch die chronische Art dieser Einwirkung zu berücksichtigen. Es geht also am Problem vorbei, wenn B/S Maximalwerte des Infraschalldrucks von WEA addieren und das Ergebnis mit Druckänderungen bei körperlichen Bewegungen vergleichen (wobei „dramatische“ Zahlen entstehen: 1 Million Windanlagen für 80 cm Höhenunterschied oder 132 dB als Äquivalent für 49 Millionen Windanlagen). Naiv oder populistisch motiviert – Rechenexempel dieser Art zeigen nur, dass die Maximalwerte des Schalldrucks nicht zur Abschätzung des Gesundheitsrisikos beitragen können.
Ebenfalls nicht zielführend ist die Kritik von B/S an den im Artikel zitierten, frühen Hinweisen auf die Wirkung von Infraschall auf zellulärer Ebene. Die damals oft verwendeten, hohen Schalldruckpegel erlauben keinen Vergleich mit heutigen WEA, aber Hinweise auf Angriffspunkte von Infraschall an biologischen Strukturen (s. unten).
Die Gesundheitsschäden von Anwohnenden durch den gepulsten Infraschall aus WEA sind bisher nicht durch staatlich zertifizierte Studien belegt. Deshalb sei an dieser Stelle nochmals auf entscheidende Monita der in den letzten Jahren publizierten, staatlich veranlassten Studien zu diesem Problem hingewiesen:
a) Die dänischen Studien (Poulsen et al. 2018/2019) haben nach Korrelationen zwischen der Emission von WEA und den ärztlich dokumentierten Krankheitsbefunden von Anwohnern gesucht. Es wurden jedoch nur Schallereignisse oberhalb von etwa 20 Hz (A-Filter) erfasst.
b) Die deutsche Studie (UBA 2020) hat einen künstlich erzeugten, sinusförmigen Infraschall an Testpersonen im Blindversuch appliziert. Dieser Schall kommt nach eigenen Angaben „in der Realität praktisch nicht vor“.
c) Die finnische Studie (Maijala 2021) suchte nach Korrelationen zwischen den dokumentierten Beschwerden von Anwohnenden und Infraschall-haltigen Emissionen an deren Wohnort. Außerdem wurden sie im Blindversuch mit Infraschall-haltigen Tonkonserven aus WEA konfrontiert. Leider wurden alle Emissionen nicht als hochaufgelöste Spektren charakterisiert, sondern in Form von Terzspektren, die steile Druckpeaks bekanntlich nicht oder kaum wiedergeben. Die (womöglich vorhandenen) Pulse der untersuchten Anlagen sind daher nicht in die Korrelationsanalyse eingeflossen und es bleibt fraglich, ob die Infraschall-Druckpeaks der Anlagen im Test korrekt abgestrahlt wurden.
Dennoch fehlt es nicht an den Beschwerden betroffener Menschen. Selbst die Studien, die im Ergebnis den „Infraschall“ nicht als ursächlich darstellen, haben Gesundheitsschäden von Anwohnenden an WEA akzeptiert und indirekt dokumentiert. Wir haben uns in dieser Situation dafür entschieden, den bis dato zugänglichen Hinweisen nachzugehen und diese den ASU-Lesern zur eigenen Beurteilung vorzulegen. Leider versuchen B/S, das Fehlen „begutachteter“ Studien oder mehr systematischer Darstellungen unserer Recherche anzulasten und wollen dabei offenbar das heute belegbare Ausmaß an Schädigung übergehen:
a) Die Behauptung, das technische Gutachten von Bahtiarian und Beaudry (2015) habe keinerlei Bezug zu gesundheitlichen Beschwerden, ist falsch. Dort wird festgestellt, dass die Messungen der Firma NCE erst durch Gesundheitsbeschwerden der Anwohnenden ausgelöst wurden: „Soon after the first wind turbine was operational, complaints were filed by the Andersens and other neighbors“. Die Messungen im Gebäude waren darauf orientiert, den räumlich unterschiedlichen Beschwerden der Bewohner nachzugehen: „When the wind turbine sound is particularly bothersome, Mrs. Andersen has reportedly sought refuse in the dining room. NCE tested this room and found a lower level of infrasound in the 4 to 7 Hertz range ...“.
b) Die Versuche, den kanadischen Autor K. Stelling herabzusetzen, weil er einer Bürgerinitiative nahesteht, die möglicherweise andere politische Vorstellungen hat als B/S, sind grundsätzlich abzulehnen. Der Wert der von Stelling (2015) zusammengetragenen Hinweise auf Gesundheitsrisiken des von WEA emittierten Infraschalls liegt vor allem darin, dass verschiedene Quellen und Sichtweisen zu Wort kommen, unter anderem die international vielbeachtete Studie von S. Cooper (Cape Bridgewater Study, Australia), bis hin zu Aussagen vor Gericht. Die zitierte Arbeit hat Stelling nicht für eine „Anti-Windenergie-Initiative“ geschrieben, wie von B/S behauptet, sondern für eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Kommunen in Ontario, Kanada, die mit Beschwerden über nahe WEA konfrontiert waren.
c) Dr. S. Kaula hat eine „Untersuchung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Anwohnern durch den Betrieb von Windenergieanlagen in Deutschland anhand von Falldokumentationen“ vorgelegt, die bisher nicht in begutachteten medizinischen Zeitschriften akzeptiert wurde. Der Autor betrachtet sie als eine initiale Studie, die (noch) nicht alle für Feldstudien üblichen Kriterien erfüllt. Gleichwohl ist sie ein wertvoller Ausgangspunkt für präventive Überlegungen, weil sie konkrete Gesundheitsbefunde aus dem Umfeld von Windanlagen nach einem festgelegten Fragebogen dokumentiert. Einige Aussagen sind auch als Video festgehalten (https://www.youtube.com/c/DSGSeV/videos, abgerufen am 7.12.2021). Auch wenn die Hinweise auf eine Beteiligung von Infraschall indirekt sind (sie ergeben sich aus Reichweite, Hörbarkeit, Dämmbarkeit, Repowering etc.) und die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung nur mit hoher Fehlerbreite abgeschätzt werden kann, bleiben die Daten reale Dokumente gesundheitlicher Schäden durch WEA. Wir hoffen, dass sie intensivere Studien von Medizinern und Naturwissenschaftlern auslösen, um die Suche nach konkreten Stressoren und kausaler Pathogenese fortzusetzen.
Obwohl nicht in unserem Artikel aus ASU 2021 enthalten, sei auch an eine ältere Zusammenstellung gesundheitlicher Befunde erinnert, die Dr. med. J. Mayer 2016 im Rahmen einer Verfassungsklage erstellt hat (Verfassungsbeschwerde beim BVG wegen Verletzung des Grundgesetz-Artikel 2, Absatz 2, Klageführer Prof. Dr. Wendt, Prof. Dr. Elicker).
3. Zur Recherche einschlägiger Literatur
Für die folgenden Zitate wird unterstellt, sie unterstützten nicht die behauptete Aussage. Dies trifft in fast allen Fällen nicht zu. Wir schicken voraus, dass wir uns hier an den Grenzen der heute verfügbaren Forschungsarbeiten befinden, das heißt, eine wesentlich größere Anzahl einschlägiger Daten mit kausalem Anspruch ist nicht vorhanden und in einigen Fällen bilden die Infraschallwirkungen nicht den Kern der zitierten Arbeit. In einigen Fällen ist es uns offenbar nicht gelungen, das Gemeinte für Laien verständlich zu machen.
Die wohlbegründete Vermutung, dass nicht die „absolute Höhe des IS-Schalldrucks ausschlaggebend für seine biologische Wirkung sei, sondern das Ausmaß kurzzeitiger Änderungen“ ist ein wesentliches Ergebnis unserer Recherche. Die Hinweise reichen vom Nachweis der Peaks in Abb. 1 von Bahtiarian und Beaudry (s. oben), der technischen Referenz von Dooley und Metelka (2015), Angaben aus der Übersicht von Stelling et al. (s. oben), die Bewertung von Studien (s. oben) auch zur Arbeit von Palmer 2017 („Why wind turbine sounds are annoying, and why it matters“). Letztere schließt sehr wohl den Infraschallbereich ein, wie schon ein Blick auf die diskutierten Frequenzspektren zeigt. Wesentlich ist, dass mit den Druckpeaks auch gesundheitliche Beschwerden verschwinden, etwa bei stehender Anlage (s. oben). Wir weisen explizit darauf hin, dass diese Druckpeaks dringend einer näheren kausalen Untersuchung bedürfen, sowohl experimentell als auch durch Feldstudien.
Die Publikation von Sharipova et al. 2013 ist eine wichtige Pionierarbeit. Zu einer Zeit, als die Kenntnisse zur Biophysik des Wassers limitierter waren als heute, erhob diese Gruppe bereits wegweisende Befunde. Wasser ändert in Abhängigkeit von der Energiezufuhr seine biophysikalischen Eigenschaften, was unmittelbare Auswirkungen auf den intra- und perizellulären Wassertransfer hat. Der Befund, dass Wasser nach Infraschallexposition unmittelbare Auswirkungen auf Zelleigenschaften hat (hier bei Erythrozyten) wurde bisher nie seriös bezweifelt. Heute würde man die Befunde in besserer Kenntnis der Biophysik des Wassers und insbesondere der Daten der Arbeitsgruppe von Mark Tuckerman möglichweise anders interpretieren (Silletta et al.: Unusual Proton Transfer Kinetics in Water at the Temperature of Maximum Density. Physical Review Letters 2018; 121 (7)). In diesem Zusammenhang sei auch an die inzwischen besser erforschten Wasserkanäle (Aquaporine) erinnert, deren spezifische Eigenschaften möglicherweise erklären können, warum ca. 30% der Menschen Infraschall empfindlicher wahrnehmen als andere (LePage u. Avan: A new clue to infrasound – experimental evidence supporting osmotic baseline stabilisation in the ear. Proceedings of Acoustics 2007; 19–22).
Campbell et al. 1998 versuchten, die Ursache des kraftinhibierenden Effektes von Infraschall und low-frequency noise aufzuklären. Diese Wirkung unterstellen sie im Einklang mit der von ihnen zitierten Literatur als gegeben. Dabei ist es unerheblich, ob die Schallwellen durch einen Lautsprecher, einen Vibrator oder wie in diesem Modell durch einen zyklisch inflatierten und deflatierten Ballon erzeugt werden. Eine Muskelkontraktion beruht auf dem so genannten Querbrückenzyklus, das heißt der periodischen, ATP-abhängigen und Ca2+-aktivierten Bindung des Myosinkopfs an Actin. Dieser molekulare Prozess im Muskel kann sich 10- bis 100-mal pro Sekunde wiederholen, arbeitet also im Frequenzbereich von 10–100 Hz. Deshalb gab es keinen Grund, für diese Fragestellung zwischen „infrasound and low-frequency noise“ zu unterscheiden.
An dem von Lousinha et al. 2018 erhobenen Befund einer durch Infraschall ausgelösten Vaskulitis und Perikarditis gibt es in der seriösen Wissenschaft kaum Zweifel. Für die erreichten Effekte spielen Expositionsdauer, Frequenz und Schalldruckpegel die entscheidende Rolle: „Previous work from our group, in Wistar rats, investigated the histomorphometric changes in the large and small coronary arteries induced by high-intensity industrial noise within a wide spectrum of wavelengths that included LFN, this last characterized by large sound pressure amplitude ≥90 dB ... we found the development of perivascular fibrosis in the absence of inflammatory cells, regardless of exposure time.“ Wir weisen noch einmal darauf hin, dass sich daraus keine unmittelbare Erklärung für Schädigungen durch Infraschall aus Windanlagen ableitet, wohl aber Ansätze für die Suche nach Angriffspunkten an Zellen und Geweben. Wir sind gerne bereit, diese Sachverhalte in einer ausführlicheren und auch für Laien verständlichen Weise darzulegen. Als einschlägige Hintergrund-Lektüre kann dienen: Alves-Pereira et al.: Acoustics and biological structures. In: Acoustics of Materials (chapter 5). IntechOpen, 2019.
Die Arbeit von Hensel et al. wurde korrekt zitiert, Infraschall löst OAE aus: „No signs of an abrupt change in transmission into the cochlea were found between infra- and low-frequency sounds. The results show clearly that infrasound enters the inner ear, and can alter cochlear processing.“
Kaltenbach und Godfrey 2008 werden korrekt zitiert, und zwar im Hinblick auf die Auswirkungen einer Aktivierung der Äußeren Haarzellen (dass Infraschall diese Aktivierung bewirkt, wurde bereits belegt) “Evidence is mounting that loss of or even just overstimulation of OHCs may lead to major disturbances in the balance of excitatory and inhibitory influences in the dorsal cochlear nucleus. One product of this disturbance is the emergence of hyperactivity, which is widely believed to contribute to the perception of phantom sounds or tinnitus.“
Bei „Jones et al. 2010“ müssen wir eine (wenn auch interessante) Verwechslung einräumen: Das Zitat betrifft das Säugetier Maus, in dessen Vestibularorganen analog zum Menschen jener Schall wahrgenommen wird, dessen Frequenz unterhalb des Erfassungsbereichs der Cochlea liegt. Dieser Frequenzbereich ist aber bei der Maus-Cochlea deutlich höher (ab 4 kHz!) als beim Menschen. Das korrekte Zitat musste hier lauten: Salt u. Hullar 2010 (wurde aber an anderer Stelle bereits zitiert).
Kaula et al. (siehe Stellungnahme oben).
Kamp und Berg 2018: Diese Literaturrecherche wird absichtsvoll zitiert, und zwar als Hintergrund für die Behauptung, dass Infraschall oft nicht als Ursache von Beschwerden beziehungsweise Einzelsymptomen erkannt wird, das heißt diese (immerhin mögliche, ggf. auch auszuschließende) Diagnose oft nicht Betracht gezogen wird. Die Kritiker verweisen vermutlich auf ein Statement aus dem Abstract: „There is no evidence of a specific effect of the low-frequency component nor of infrasound.“ Kamp und Berg schreiben aber danach: „The rhythmic pressure pulses on a building can lead to additional annoyance indoors ...“ Zuletzt heißt es: „Sleep disturbance as well as other health effects in the vicinity of wind turbines was found to be related to annoyance, rather than directly to exposure.“ Wenige Sätze zuvor: „Sound from wind turbines leads to a higher percentage of highly annoyed when compared to other sound sources.“ Gesundheitsbeschwerden korrelieren also mit dem Unwohlsein (annoyance), zu dem auch Druckpulse beitragen können, und Emissionen aus WEA führen zu häufigerem Unwohlsein... Wir vertrauen auch hier auf das Urteilsvermögen der ASU-Leser.
4. Interessenkonflikte
Zu der Unterstellung, wir hätten als Autoren Interessenkonflikte verschwiegen, nehmen wir getrennt Stellung:
Werner Roos: Ein Interessenkonflikt ist für mich nicht erkennbar. Als gewählter Vorsitzender des Vereins „Schwarzwald Vernunftkraft e.V.“ soll ich laut Statut unter anderem zum „Schutz der Bürger vor den Gesundheitsrisiken durch industrielle Windenergie-Anlagen“ beitragen. Die objektive Erforschung und Aufklärung dieser Risiken liegt also im Vereinsinteresse. Mein wissenschaftliches Handeln wird durch die Ziel des Vereins weder eingeschränkt noch entsteht ein „sekundäres Interesse“. Laut Statut muss der Verein politisch unabhängig handeln und ich bin wie alle Mitglieder ehrenamtlich tätig.
Christian Vahl: Bisher sind keinerlei Mittel der Millionenspende für die Infraschallforschung verwendet worden. Der Vorwurf des Interessenkonflikts ist also nicht nur unbegründet, sondern unterstellt auch für meine weitere Forschungstätigkeit fehlende Objektivität. B/S wählen mit dieser Forderung ein Vorgehen, das in der Politik, nicht aber in der Wissenschaft seinen Platz haben dürfte.
Fazit
Das Problem der Emission von Infraschall-Peaks und ihrer Wirkung auf die Bevölkerung lässt sich nicht dadurch eliminieren, dass man den Berichterstattern Inkompetenz oder unlautere Motive unterstellt und ihnen zum Teil eigene Wissensdefizite anlastet. Wir benötigen hier weder Nachhilfe in Schallphysik noch zu den „Grundregeln wissenschaftlicher Arbeit“. In einigen Punkten entsteht der Eindruck, dass die im Ministerium für Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz tätigen Kritiker dazu beitragen wollen, den Boden für eine Verdichtung von Windenergieanlagen auch in der Nähe menschlicher Siedlungen zu bereiten.
Aus Sicht der präventiven Medizin fehlt bisher eine problemorientierte, faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema, die sich den unbestreitbaren Gesundheitsschäden Betroffener verpflichtet fühlt und biologisch-medizinische Erklärungen anstrebt. Dazu sind Feldforschungen ebenso notwendig wie experimentelles Arbeiten. Unser Artikel will das Problem in das Bewusstsein der medizinischen Öffentlichkeit rücken und auf die derzeit vorhandenen Ansatzpunkte und Unsicherheiten hinweisen. Der Status quo: Die aus Windanlagen emittierten Pulse des Infraschalls hoher Reichweite sind ein latentes Gesundheitsrisiko für Anwohnende. Es sollte nicht nach der Höhe des messbaren Schalldrucks beurteilt werden, sondern nach Höhe und Steilheit der periodischen Druckänderungen.
Werner Roos und Christian Vahl, Dezember 2021